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Warum „richtig versichern“ so schwierig ist




Oft unterschätzen wir, wie wahrscheinlich es ist, dass uns bestimmte Ereignisse treffen. Deshalb versichern wir uns gegen kleine Risiken zu üppig – und lassen große unabgedeckt. Und entscheiden uns dann oft noch für die falschen Versicherer. Es geht auch besser


Ob bei Unfall, Krankheit oder Schaden – Versicherungen sollen für den Ernstfall absichern.

Aber warum überhaupt versichern?


Die Antwort darauf hat Teil 1.


Wenn Gerd Gigerenzer über das Risiko spricht – und darüber weiß er eine Menge, schließlich ist er Risikoforscher – dann fängt er gerne mit diesem Beispiel an: „Alle elf Minuten verliebt sich ein Single über unsere Plattform.“ Das klinge doch toll, oder? Es klingt so gut, dass das betreffende Dating-Unternehmen sogar Werbung damit macht. Und viele Singles denken: Super, da melde ich mich an, lerne ein paar Menschen kennen – und schon verliebe ich mich. Alle elf Minuten, das ist ja quasi ständig. Oder nicht? Sagen wir mal … nicht direkt.


Denn es bedeutet zwar, dass sich ständig irgendwo in diesem Land jemand über die Plattform verliebt, aber es müssen leider nicht zwingend wir selbst sein. Gäbe es nur 100 Angemeldete, dann müsste jeder davon tatsächlich höchstens 21 Stunden abwarten, bis es auch ihn träfe.


Die Realität sieht aber leider so aus: Ein Verliebter alle elf Minuten, das sind rund sechs Verliebte pro Stunde und 144 Verliebte pro Tag – wenn man davon ausgeht, dass Singles rund um die Uhr auch nachts mit der Partnersuche beschäftigt sind. Auf das Jahr gesehen verlieben sich also 52.560 Menschen. Das ist viel, aber die Sache hat einen Haken: Denn es gibt ungefähr 5,4 Millionen Mitglieder auf dem Portal. Die Nutzer des Portals können sich jetzt die Wahrscheinlichkeit dafür ausrechnen, dass sie innerhalb eines Jahres die große Liebe gefunden haben: Sie liegt bei nicht einmal einem Prozent. 99 Prozent aller Mitglieder also verlieben sich innerhalb eines Jahres nicht.


Wie viele Jahre müssten wir also statistisch gesehen warten, bis wir selbst zu den Glücklichen gehören? Das klingt schon ganz anders als elf Minuten, oder nicht?

Dieses Beispiel verdeutlicht sehr gut ein Problem, dass Versicherungen und die Partnerwahl gemeinsam haben: Wir alle sind nicht sonderlich gut, wenn es um das Abschätzen von Wahrscheinlichkeiten geht. Wir können uns nur schlecht vorstellen, wie wahrscheinlich bestimmte Ereignisse sind. Das gilt sowohl für positive Ereignisse wie das Verlieben oder negative Ereignisse wie das Eintreten einer schweren Krankheit. Wir alle wissen nur: Es kann sein, dass wir in unserem Leben krank werden, Unfälle erleiden, Unglücke oder Katastrophen erleben. Aber es muss ja nicht sein, oder …? Außerdem kann man sich nur schwer – oder gar nicht – vor den meisten gesundheitlichen Beeinträchtigungen schützen.


Vorsicht statt Überoptimismus


Genau deswegen sollte uns eigentlich eines ganz wichtig sein: Wir sollten uns wenigstens finanziell soweit absichern, dass durch solche Ereignisse nicht unser gesamten Leben ruiniert wird. Weil wir krank werden und hohe Kosten tragen müssen. Oder weil wir dann nicht mehr arbeiten und Geld verdienen können. Zumindest dagegen sollten wir uns unbedingt wappnen.


Doch leider spielt uns das Hirn dabei einen Streich: Für wie wahrscheinlich zum Beispiel halten Sie es, dass Sie es später zu einem sehr guten Gehalt bringen werden? Oder zu einem eigenen Haus? An dieser Stelle sagen viele „für sehr wahrscheinlich“. Das ist gut so, es zeugt von Optimismus. Nur ist unser Optimismus in diesen Dingen oft etwas groß, wie der Psychologe Neil D. Weinstein schon in den 1980er-Jahren herausgefunden hat. Denn dass wir später erfolgreich sein werden, das bezweifeln nur die wenigsten von uns. Wir halten es für vier- bis sechsmal so wahrscheinlich wie den Fall, dass wir später arbeitslos werden oder einen Herzinfarkt erleiden könnten oder sogar ernsthaft krank werden. Jeder Zweite von Weinsteins Studenten sagte außerdem: Ich werde zum besten Drittel der Absolventen gehören. Was gar nicht sein kann.


An die Negativereignisse dagegen glaubten unterproportional wenige der Befragten. Die eigene Scheidung etwa hielten 90 Prozent Befragten für äußerst unwahrscheinlich. Tatsächlich lassen sich inzwischen gut 40 Prozent der Paare scheiden. Die Statistik spricht also eine deutlich andere Sprache.


Der Mensch neigt zu deutlichem Überoptimismus und zwar in mehrere Richtungen: Erstens hält er es für viel zu wahrscheinlich, dass ihm gute Dinge widerfahren werden. Vor allem Dinge, die er sich wünscht, sieht er häufiger eintreten. Umgekehrt schätzt er die Wahrscheinlichkeit, dass ihm Schlechtes widerfährt als viel zu gering ein. Und je größer und dramatischer dabei das negative Ereignis ist, für desto unwahrscheinlicher hält er es auch. Bei all dem ist er sich aber – drittens – dennoch bewusst, wie häufig bestimmte Ereignisse insgesamt in der Gesellschaft auftreten. Das ist das Interessante dabei. Die Häufigkeit von Krankheiten und Scheidungen kann er sehr gut beziffern. Nur glaubt er eben, es treffe ausgerechnet IHN nicht.


Inzwischen haben viele andere Psychologen herausgefunden: Selbst wenn wir ganz viele Informationen über die Häufigkeit von Negativereignissen haben – es mindert höchstens ein klein wenig unseren Überoptimismus. Vor allem junge Menschen aber denken: Natürlich ist all das möglich, aber es passiert mir nicht. Zumindest halten wir stets andere Personen für viel gefährdeter als uns selbst. Das hilft zwar, zukunftsfroher ins Leben zu gehen, aber diese Mischung aus Unverwundbarkeitsgefühl, Kontrollillusion und Selbstüberschätzung kann uns zum Verhängnis werden, sofern wir denken: Wenn ich aufpasse, dann kann ich das alles bestimmt verhindern.


Zudem gleichen wir ab, was in unserem Bekanntenkreis passiert: Haben wir enge Bekannte, die bereits schlimme Gesundheitsprobleme haben, womöglich seltene Krankheiten, dann führt das eher dazu, dass wir das Risiko übergewichten, genau das gleiche Schicksal zu erleiden. Auch wenn die tatsächliche Wahrscheinlichkeit dafür verschwindend gering ist. Umgekehrt gewichten wir ein großes Risiko zu niedrig, wenn wir niemanden kennen, den es bereits getroffen hat.


Und noch etwas macht es uns schwer: Früher war Risiko noch überschaubarer. Für unsere Steinzeitvorfahren war der Säbelzahntiger das größte Lebensrisiko. Und die beste Versicherung dagegen war einfach: Lauf so schnell du kannst! Heute ist die Welt so komplex, und die Risiken darin so abstrakt, dass wir gar nicht mehr wissen: Was ist eigentlich wirklich lebensbedrohlich oder kann einmal bedrohlich werden? Und was nicht?


Das sind die beiden Hauptgründe dafür, weswegen wir uns schwer damit tun, exakt die wichtigsten Versicherungen für uns selbst abzuschließen – und die überflüssigen eben nicht. Vor allem unsere Gesundheit und Arbeitsfähigkeit nämlich sichern wir zu wenig ab. Unser Hab und Gut dagegen oft zu üppig. Oft ist es auch wieder wie bei der Partnerwahl: Wir würden uns ja gern für so einen Vertrag entscheiden, doch wir suchen zu lange nach dem Richtigen. Zumindest glauben wir bei jedem Angebot, es gäbe bestimmt ein noch besseres, weswegen wir am Ende nie zu irgendetwas „Ja“ sagen.


Darauf sollte man bei Versicherungen achten


Es gibt aber ein Mittel dagegen, sagt der Risiko- und Entscheidungsforscher Gigerenzer. Er findet: Allzu umfassende Information stört nur. Wir sollten uns besser auf ein paar Merkmale konzentrieren und so lange suchen, bis wir eine Lösung gefunden haben, die gut genug ist – aber vielleicht nicht die beste der Welt.


Das macht uns gerade die Wahl bei den Versicherungen einfach. Bei denen gibt es nämlich oft so viele Anbieter, und noch mehr Tarife, dass wir den Abschluss immer wieder hinausschieben. Vor allem für die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt das, zumal die Beiträge dafür oft hoch sind und wir daher besonders große Angst haben, den falschen Anbieter zu wählen. Nämlich einen zu teuren. Dabei weiß die Entscheidungsforschung inzwischen auch: das Einzige, was uns noch mehr ärgert, als eine falsche Entscheidung zu treffen, ist gar keine Entscheidung getroffen zu haben.

Wie findet man also einen guten Vertrag? Das hängt nicht immer nur vom Beitrag ab, der zu zahlen ist. Natürlich macht es einen großen Unterschied, ob man für eine Berufsunfähigkeitspolice 800 oder 1800 Euro im Jahr zahlen muss, so weit etwa klaffen die Preise der Versicherer für einen 30-jährigen Betriebswirt aktuell auseinander, wenn er 2000 Euro Monatsrente absichern will. Oder ob eine Hausratpolice 60 oder 280 Euro kostet.


Doch wirklich entscheidend ist erst, was im Kleingedruckten der Verträge steht und welche Eventualitäten im Notfall abgedeckt sind. Auch da unterscheiden sich die Angebote deutlich. Unabhängige Produkttests und Verbraucherverbände wie der Bund der Versicherten (BdV) oder die Verbraucherzentralen können hier die guten von den schlechten Produkten trennen. Und sie wissen, wie oft die betreffenden Gesellschaften im Ernstfall mit ihren Kunden über die Auslegung von Klauseln streiten. Auch der Ombudsmann für Versicherungen nennt in seinen Jahresberichten jene Gesellschaften, über die Kunden sich häufiger beklagen.


Wer sehr langfristige Verträge abschließt, vor allem jene Policen, mit denen er die Arbeitsfähigkeit und Gesundheit absichert, der sollte auch darauf achten, dass er einen finanzstarken Versicherer auswählt. Dazu kann man sich die Solvenzquoten der Versicherer ansehen und die Geschäftsberichte. Vor allem bei Gesundheitspolicen, Krankenversicherungen oder Pflegepolicen kommt es nämlich auch darauf an, wie gut der Versicherungskonzern die Gelder seiner Kunden anlegt und ob er damit langfristig Überschüsse erwirtschaftet.


Diese Überschüsse werden den Verträgen dann regelmäßig gutgeschrieben und mehren das Versichertenkapital – und die späteren Auszahlungen. Oder sie werden so angerechnet, dass sie sich in späteren Jahren beitragssenkend auswirken. Von daher ist es wichtig, dass ein Versicherer finanzkräftig ist. Branchenvergleiche bieten etwa die spezialisierte Versicherungs-Ratingagentur Assekurata oder der Map-Report, die solche Solvenzzahlen der Gesellschaften erheben.


Im Zweifelsfall sollte man eher einen stabileren – eventuell auch größeren – Versicherer wählen als eine sehr kleine Gesellschaft. Denn die Branche wird sich künftig konsolidieren und kleinere Anbieter werden vom Markt verschwinden oder von größeren Unternehmen aufgekauft. Daher sind Unternehmen, die bereits jetzt einen sehr kleinen Marktanteil haben, wohl die ersten Übernahmekandidaten.


Außerdem sollte man sich vielleicht im letzten Geschäftsbericht des Versicherers einmal ansehen, wie gut er in der entsprechenden Sparte gewirtschaftet hat. Denn gerade im Gesundheitsbereich und bei Sachversicherungen wie der Kfz-Versicherung ist der Wettbewerb hart. Das führt zwar zu extrem kleinen Beiträgen im Markt. Doch bei der Autoversicherung sind die Schäden bei manchen Versicherungsgesellschaften mitunter so groß, dass die Beitragseinnahmen sie kaum noch decken. Und es hat bereits Insolvenzfälle in den Sparten gegeben. In solchen Fällen müssen sich die Kunden die Frage stellen, was das für ihre bereits gezahlten Beiträge heißt? Zudem müssen sie sich einen neuen Versicherer suchen.


Und noch etwas sollte man beachten: Direktversicherer bieten häufig bessere Preise, weil sie sich die teuren Filialnetze in der Fläche sparen und den Verkauf daher rein über Telefon und Internet abwickeln. Das ist für den Kunden günstiger. Es kann aber auch Vorteile haben, einen Makler oder einen Versicherungsberater am Wohnort zu haben, der die eigenen Belange kennt. Gelegentlich können die auch einmal unbürokratisch und schnell Schäden abwickeln mit etwas Kulanz. Ohne immer gleich den Mutterkonzern einzuschalten, der dann rein nach Vorschrift vorgeht. Auch die Präsenz in der Fläche kann sich also auszahlen.


Zusammenfassend gilt: Man sollte bei einem Versicherer aufs Image schauen und darauf, wie er andere Kunden behandelt. Und im Zweifel eine Gesellschaft wählen, bei der man sich gut aufgehoben fühlt. Im Ernstfall hält so eine Verbindung schließlich so lange wie eine Ehe oder ein Berufsleben lang.


Die Wahl des richtigen Versicherers ist keine leichte, aber welche Versicherungen brauch man überhaupt?

Teil 2 wirft einen Blick auf die wichtigsten Versicherungen – und auf die, die im Ernstfall nicht wirklich helfen.

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